„Chronifizierung vermeiden“: Symposium thematisiert Kopfschmerzen und Migräne im Kinder- und Jugendalter
Kopfschmerzen sind auch im jungen Alter keine Seltenheit: Einer Datenerhebung des Robert Koch-Instituts zufolge schwankt die durchschnittliche 3-Monats-Prävalenz je nach Alter zwischen 62,1 und 84,3%. Die Häufigkeit von Kopfschmerzen steigt demnach mit zunehmendem Alter, wobei Mädchen besonders betroffen sind.1
„Vor allem bei Migräne ist es wichtig, aktiv zu werden, um das Risiko einer Chronifizierung zu reduzieren“, so Neurologin Prof. Dr. Gudrun Gossrau, die im Rahmen eines Symposiums auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) über das aktuelle Management von Kopfschmerzen und Migräne im Kinder- und Jugendalter berichtete. Der Wirkstoff Ibuprofen habe sich insbesondere für die Migräne-Therapie als besonders wirksam gezeigt und sei zudem in der aktuelle Leitlinie2 empfohlen.
„Insgesamt haben sich Krankschreibungen aufgrund von Kopfschmerzen seit 2013 vervierfacht – jüngere Menschen sind hier besonders betroffen“, stellte Gossrau fest. Hinzu kommt, dass vor allem jüngere Kinder angefangen beim Vereinbaren eines Arzttermins bis hin zur Anreise in die Arztpraxis von der Unterstützung ihrer Eltern abhängig seien. Indessen hätten auch sozioökonomische Faktoren wie der soziale Status oder ein etwaiger Migrationshintergrund einen erheblichen Einfluss auf den Zugang zu medizinischer Versorgung.
quote iconLeider findet das Thema Kopfschmerzen nach wie vor zu wenig gesellschaftliche Akzeptanz – auch innerhalb der Familie
Prof. Dr. med. Gudrun Goßrau Neurologin
führte die Expertin fort. Doch spätestens wenn der Alltag so stark eingeschränkt ist, dass die Schule darunter leidet, treibe es immer mehr Schüler in die Arztpraxen – oder sogar in die Notaufnahme. Dies sei insofern verheerend, als erwachsene Patienten mit chronischer Migräne die Migränekopfschmerzen bereits seit dem Jugendalter kennen würden. Daher sei es besonders wichtig, Kindern- und Jugendlichen mit Kopfschmerzen frühzeitig eine Diagnose zu geben, Therapiemaßnahmen einzuleiten und den Umgang mit der Erkrankung zu verbessern, um eine Chronifizierung zu verhindern. Vor allem bei Migräne sei hier ein schnelles medikamentöses Eingreifen – beispielsweise mit Ibuprofen – angeraten.
Darüber hinaus sei auch die Diagnosestellung herausfordernd, hier sei eine ausführliche Anamnese erforderlich. Insbesondere müsse zwischen unterschiedlichen Kopfschmerzarten unterschieden werden: Bei den primären Kopfschmerzen seien im Kindes- und Jugendalter die Migräne und Spannungskopfschmerzen besonders häufig, wobei diese auch gleichzeitig als sogenannter Mischkopfschmerz auftreten könnten. Bei Kopfschmerzen vom Spannungstyp sei man im Kindes- und Jugendalter noch mit wesentlich weniger pharmakologischem Einsatz unterwegs. Bei Migräne hingegen müssten insbesondere die Akut-Attacken sehr gut medikamentös behandelt werden, um einer Chronifizierung entgegenzuwirken. Der Wirkstoff Ibuprofen sei hier die erste Wahl und zudem in der aktuellen Leitlinie2 empfohlen. Es gäbe aber auch große individuelle Unterschiede: „Patienten müssen – idealerweise unter ärztlicher Anleitung – ausprobieren, welcher Wirkstoff und welche Darreichungsform ihnen am besten helfen,“ erläuterte Gossrau. Ein Kopfschmerztagebuch könne darüber hinaus die Identifikation von Migräne-Auslösern erleichtern.
„Schlafmangel und Stress zählen nach wie vor zu den häufigsten Triggern“, so die Expertin. Insgesamt sei jedoch seit der Corona-Pandemie die Zahl affektiver Veränderungen bzw. seelischer Erkrankungen gestiegen – insbesondere habe die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen seither abgenommen. Hier sei ein interdisziplinärer Ansatz sinnvoll, der das allgemeinmedizinische bzw. neurologische Beurteilung mit einer psychologischen Behandlung kombiniert. Außerdem seien Migränepatienten empfindlicher als andere Menschen – auch in Bezug auf emotionale Reize. Daher sei in der Prophylaxe all das hilfreich, was zum Stressabbau beiträgt, wie zum Beispiel Yoga oder Entspannungstechniken. Darüber hinaus sei es wichtig, den Lebensstil hinsichtlich Bewegung im Alltag sowie Bildschirmzeiten kritisch zu hinterfragen. Neben einer etwaigen medikamentösen Therapie seien demnach die Aufklärung über die Krankheit sowie Allgemeinmaßnahmen essenziell für ein erfolgreiches Management von Kopfschmerzen und Migräne im Kinder- und Jugendalter.
1 U. Ellert. H. Neuhauser. A. Roth-Isigkeit Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Prävalenz und Inanspruchnahme medizinischer Leistungen Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundscheitsschutz 2007. 50:711-717.
2 GsEvers et al. Therapie idiopathischer Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter, Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) und der Gesellschaft für Neuropädiatrie, Nervenheilkunde 2008; 27:1127-1137.